Kenia: Duale Ausbildung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels im Bausektor lanciert

Berufliche Erstausbildung, Weiterbildung und Umschulung
07.10.2021
Am 1. Oktober 2021 lancierten Swisscontact in Kenia und die Hilti Foundation ein revolutionäres Projekt, das ein duales Ausbildungssystem im Bausektor fördert. Das Projekt zielt darauf ab, durch eine Kombination aus praktischer Ausbildung in Unternehmen und theoretischem Lernen in Berufsschulen qualifizierte Arbeitskräfte zu entwickeln. Damit soll die steigende Nachfrage nach technischen Fähigkeiten im Bausektor gedeckt werden. 

Die Einbeziehung lokaler Interessengruppen, insbesondere privater Unternehmen, ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die von den Auszubildenden zu erwerbenden Fähigkeiten zu definieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, das in den Klassenzimmern Gelernte in die Praxis umzusetzen.

Video-Highlights der Veranstaltung (auf Englisch mit deutschen Untertiteln)

«Dieses Projekt kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Es passt sehr gut zu der Situation, in der sich das Land befindet, da es konkrete Lösungen für die aktuellen Schwierigkeiten bietet.»

Valentin Zellweger,
Schweizer Botschafter in Kenia 

"Wir erhoffen uns mit diesem Projekt, von dem erfolgreichen und bewährten Schweizer Modell der dualen Ausbildung zu lernen und die besten Praktiken zu übernehmen. Das Modell wird nicht vollständig kopiert, sondern so angepasst, dass es sich für den kenianischen Kontext eignet und auf Bestehendem aufbaut," sagte Anirban Bhowmik, Swisscontact-Regionaldirektor für das zentrale, östliche und südliche Afrika.

Mangel an qualifizierten Handwerkern in der Bauindustrie

Zunächst wird das Projekt kenianische Unternehmen dabei unterstützen, das System in den zwei Gewerken Sanitärinstallationen und Elektroinstallation einzuführen.

Im Jahr 2017 bezifferte der kenianische Verband der Baumeister (KFMB) die Zahl der ausgebildeten Sanitärinstallateure, Malerinnen und Maurer im gesamten Land auf weniger als 2 000 im Vergleich zu 5 000 Ingenieuren und Architektinnen. Dies beweist den grundlegenden Mangel an qualifizierten Handwerkern in der Bauindustrie.

«Unser wichtigstes Prinzip ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Wir sind kein Geldgeber, sondern wir investieren in die Befähigung von Menschen, damit sie aktiv werden und ein selbstbestimmtes Leben führen können. Wir glauben, dass Nachhaltigkeit nur durch systemische Veränderungen erreicht werden kann.»

Werner Wallner, CEO Hilti Foundation

Kenia hat eine grosse junge Bevölkerung, etwa 60 % sind zwischen 18 und 35 Jahre alt. Angesichts des dynamischen Privatsektors, der wachsenden Mittelschicht und des zunehmenden unternehmerischen Engagements steigt die Nachfrage nach Häusern, Geschäftszentren und Infrastruktur ständig.

Mit ihrer Big-Four-Agenda bemüht sich die kenianische Regierung darum, den Menschen zugänglichen und erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Allerdings bleibt die Produktion von Wohneinheiten derzeit hinter den Zielvorgaben zurück, was zu einem aktuellen Wohnungsdefizit von über 2 Millionen Einheiten führt, wobei fast 61 % der städtischen Haushalte in Slums leben.

Obwohl der Bausektor zu den am schnellsten wachsenden Sektoren gehört und einen erheblichen Beitrag zum BIP leistet, besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem derzeitigen Wachstum der Branche und der Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte.

Eine kürzlich durchgeführte Studie hat gezeigt, dass in den Bereichen Sanitärinstallationen, Schweissen und Elektroinstallation eine grosse Qualifikationslücke besteht. Viele Bauunternehmen geben an, dass der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eine grosse Herausforderung für sie darstellt.

«Qualitativ hochwertige Lehrstellen sind nicht nur eine Lösung für die Jugendarbeitslosigkeit, sondern können auch Arbeitssuchenden und Jugendlichen aller Altersgruppen zugute kommen, die aufgrund eine Umschulung oder Höherqualifizierung benötigen.»

William Mwanza, Nationale Behörde für industrielle Ausbildung (NITA), Direktor für industrielle Ausbildung

Kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern

Die Tagessätze für zertifizierte Arbeiterinnen und Arbeiter sind um über 300% gestiegen, von etwa 8 CHF im Jahr 2012 auf heute etwa 30 CHF. Handwerker, die in grösseren Städten tätig sind, verlangen sogar noch mehr. Auch der Anteil der Arbeitskosten an den Baukosten ist auf über 25% gestiegen.

Das duale Programm wird in laufender Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Arbeitgeberinnen, den bestehenden Ausbildungsinstitutionen und den öffentlichen Stellen entwickelt. Die Industrieverbände werden eng einbezogen und die Erfahrungen der ersten Anwender an andere Unternehmen der Branche weitergegeben.

Langfristig werden private Unternehmen ihre Produktivität und Rentabilität verbessern, da die ausgebildeten Lehrlinge marktrelevante Fähigkeiten erworben haben und in der Lage sein werden, qualitativ hochwertige Arbeit rechtzeitig zu liefern und den Ausschuss zu verringern.

Auch die Einstellungskosten werden aufgrund der zu erwartenden Talente gesenkt, und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wird sich dank der Verfügbarkeit frischer und innovativer Ideen verbessern. Auszubildende, die nicht von der Privatwirtschaft übernommen werden, haben immer noch die Chance, als Unternehmer erfolgreich zu sein, was ein grosser Schritt zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit im Lande ist.

«Wir hoffen, dass das Projekt zur Entwicklung eines kenianischen Modells für die Lehrlingsausbildung beitragen wird, das sowohl von der Privatwirtschaft als auch von der Regierung geschätzt wird», sagte der Projektleiter Ehasanul Huq.

Gegenwärtig wird das Berufsbildungssystem in Kenia umfassend reformiert, und ein Rahmen für die Lehrlingsausbildung wurde kürzlich verabschiedet, aber noch nicht umgesetzt.

Bild 1, von links nach rechts: Anirban Bhowmik, Swisscontact-Regionaldirektor für das zentrale, östliche und südliche Afrika.; Valentin Zellweger, Schweizer Botschafter in Kenia; Werner Wallner, CEO Hilti Foundation

Bild 2: Ehasanul Huq, Swisscontact-Projektleiter

Bild 3: Besucher des Eröffnungsevents

Bild 4, von links nach rechts: Werner Wallner, CEO Hilti Foundation; Valentin Zellweger, Schweizer Botschafter in Kenia; William Mwanza, Nationale Behörde für industrielle Ausbildung (NITA), Direktor für industrielle Ausbildung; Anirban Bhowmik, Swisscontact-Regionaldirektor für das zentrale, östliche und südliche Afrika.

Das Projekt ist finanziert von der Hilti Foundation. Dieses Projekt ist Teil des Entwicklungsprogramms von Swisscontact, welches von der DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA) kofinanziert wird.