Podcast-Folge zu Berufsbildung, Digitalisierung und Migration

Schweiz
Berufliche Erstausbildung, Arbeitsmarktintegration, Weiterbildung und Umschulung
18.06.2024
Sonja Hofstetter, Head of Skills, Labour and Migration, spricht im Podcast des Nadel Center for Development and Cooperation der ETH Zürich darüber, was grüne Kompetenzen sind, wie Swisscontact zur Verbesserung der Berufsbildungssysteme in Entwicklungsländern beiträgt, und was für einen Einfluss die Digitalisierung auf die Berufsbildung hat.
Sonja Hofstetter, Head of Skills, Labour and Migration bei Swisscontact

Sonja Hofstetter ist ausgebildete Primarlehrerin und hat internationale und vergleichende Bildungswissenschaft studiert. 2014 schloss sie das NADEL an der ETH Zürich ab und spezialisierte sich auf Berufsbildung. In Kambodscha war sie Fachexpertin für das Skills Development Programme und heute verantwortet sie als Head of Skills, Labour and Migration den Bereich bei Swisscontact.

Was sind Green Skills, also grüne Fertigkeiten oder Fähigkeiten?

“Bei grünen Kompetenzen geht es darum, bestehende Berufsbilder zu verändern, damit dann die Arbeitsprozesse eben umweltfreundlicher oder eben nachhaltiger gestaltet werden können, sodass wir die Folgen der Erderwärmung, aber auch der Belastung der Umwelt durch unsere Arbeit, im besten Fall eliminieren können.„
Sonja Hofstetter, Head of Skills, Labour and Migration bei Swisscontact

Der Berufsbildungssektor ist für die Schweiz eine Erfolgsgeschichte und wir exportieren das in alle Kontinente. Funktioniert das in jedem Land so wie in der Schweiz?

“Es funktioniert vor allem dann, wenn es Arbeit gibt. Das ist immer unser Startpunkt in der Berufsbildung, also zu schauen: 'Wo sind denn die Jobs?' Oft geht man gedanklich von der anderen Seite aus und sagt: 'Wenn wir denen Fertigkeiten geben, dann finden die auch einen Job.' Gerade in abgelegenen Regionen haben wir oft das Problem, dass es da einfach keine Arbeit gibt. Und da kann man dann noch lange Leute ausbilden, wenn die dann woanders hinreisen müssen, um einen Job zu finden, das kann eine Möglichkeit sein aber das macht auch nicht jede/r.„

Kann man das Schweizer System der Berufsbildung replizieren?

“Ich würde nicht sagen, dass wir das System replizieren. Wir versuchen aber von Anfang an, den Bezug zu Arbeitgebern herzustellen. Was für Fertigkeiten muss jemand haben, um den Job dann zu machen? Sei das die beruflichen technischen Fertigkeiten, aber auch die sozialen Kompetenzen – die sogenannten Soft Skills, also pünktlich zu erscheinen, gepflegt aufzutreten, effektiv zu kommunizieren – sind auch Skills und Fertigkeiten, die oft in den Schulen so nicht gelernt respektive gelehrt werden. Und das sind Elemente des schweizerischen Berufsbildungssystems, die wir sehr gut unseren Partnern vor Ort erklären können oder mit ihnen zusammen Modelle erarbeiten, die sich an der dualen Berufslehre in diesem Sinne orientieren. „

Warum funktioniert das duale System nicht in allen Ländern gleich gut?

“Hauptgrund ist, dass in den meisten Ländern die Berufsbildung als Schulsystem gedacht wird. Also die Schule ist im Lead und bei uns in der Schweiz ist es ja genau umgekehrt. Die Lernenden sind angestellt in den Firmen und sie gehen in den meisten Berufen einen Tag pro Woche in die Schule und in unseren Projektländern ist es oft umgekehrt. Und das sind Premissen, die kann man nicht einfach umkehren. Aber man kann schauen, wie kommen sich Schule und Arbeitgeber näher, wie kann man Modelle erstellen, damit diese beiden Lernorte besser miteinander verankert sind. „

Wie hat die Digitalisierung die Berufsbildung in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen verändert?

“Man hat die Möglichkeit, den Unterricht interaktiver zu gestalten. Es geht auch um Zugang. Was Theorie ist, kann man online zugänglich machen. Das heisst, es kann flexibel gelernt werden. Man kann tagsüber einen Job machen und abends sich diese Kurslektionen noch anschauen. Auch auf der Seite der Arbeitswelt gibt es jetzt viel mehr Jobs, die in diesem digitalen Sektor stattfinden, die auch Opportunitäten für Abgänger von unseren Programmen bieten. Gerade zum Beispiel in Zentralamerika gibt es, es gibt viele amerikanische Firmen, die gewisse Services auslagern und wo Leute, wenn sie zertifiziert sind, in Zentralamerika einen Job für diese amerikanischen Firmen bekommen, ohne dass sie migrieren müssen.„

Systemisch denken ist ja häufig längerfristiges Denken, das quasi über ein Projektzeitraum hinaus wirkt. Wie könnt ihr damit umgehen?

“Dass man mit Akteuren zusammenarbeitet, die im System verankert sind; dass wir als Organisation nicht anfangen, Leute auszubilden, für Dinge zu bezahlen, die nach Projektende nicht mehr bezahlt werden; dass wir wirklich versuchen, Akteure zu stärken, die schlussendlich die Arbeit auch weiterführen können und wollen. Also diese kritische Auseinandersetzung mit dem Kontext und das tiefe Verständnis vom System macht den Unterschied.„

Einige unserer Arbeitsthemen

Berufliche Erstausbildung
Fachkompetenzen für die Arbeitswelt
Arbeitsmarktintegration
Die Bedürfnisse der Arbeitsuchenden mit den Anforderungen des Arbeitsmarkts abstimmen
Weiterbildung und Umschulung
Ein Leben lang arbeitsmarktfähig bleiben – dank beruflicher Aus- und Weiterbildung