KMU bilden das Fundament der Volkswirtschaften auf der ganzen Welt, so auch in Nepal. Hier erwirtschaften KMU 22 % des BIP und beschäftigen rund 1,7 Millionen Menschen (Rastra Bank, 2020/21). Eine besondere Rolle spielen dabei KMU im Agrarbereich, da Nepal nach wie vor hauptsächlich ein Agrarstaat ist – rund 62 % der Menschen arbeiten in der Landwirtschaft. Diese KMU sind massgeblich für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Einkommen sowie für die Ernährungssicherheit. Über das CASA-Programm (Commercial Agriculture for Smallholders and Agribusiness), das vom britischen Aussenministerium (Foreign, Commonwealth & Development Office, FCDO) finanziert wird, unterstützt Swisscontact seine Partner dabei, ihre digitalen Fähigkeiten zu verbessern und ein effizienteres Lieferkettenmanagement einzusetzen.
Gopal Giri, ein Bauer aus dem Dorf Sisuwa bei Pokhara, besitzt 22 Kühe und beliefert seit über einem Jahr das Molkereiunternehmen Sujal Dairy mit Milch. Sujal Dairy schickt ihm per SMS eine detaillierte Aufstellung über die 130 Liter Milch, die er der Firma verkauft hat, einschliesslich einer Aufschlüsselung ihres Gehalts an Fett und fettfreier Trockenmasse, wonach Gopals Gesamtertrag berechnet wird. Neben Gopal tragen auch andere Bauern in der Region zur täglichen Lieferung von rund 16 000 Liter Milch an das Molkereiunternehmen bei, das landesweit Milch von über 20 000 Kleinbauern bezieht.
In Chatrakot in der Provinz Gulmi arbeitet Meena Tondon derweil in der Gemüsesammelstelle von Paicho Pasal, einem Agrarunternehmen, das landwirtschaftliche Erzeugnisse nepalesischer Kleinbauern sammelt und verkauft.
Meena nimmt hier allerlei Arten von Gemüse entgegen. Manuelle Aufzeichnungen und handgeschriebene Zettel gehören für sie der Vergangenheit an. In einer App gibt sie das angenommene Gemüse ein, und die Preise werden automatisch berechnet. Die Landwirte werden sofort per SMS über ihre Verkäufe benachrichtigt. Am Ende des Tages rechnet die App die Gesamtbeträge zusammen. Mit einem kleinen Drucker druckt Meena eine Zusammenfassung aus, fotografiert die Quittung und übermittelt sie via Facebook Messenger.
Es dauerte jedoch eine Weile, bis sich Meena an das System gewöhnt hatte. Trotz einer Schulung brauchte sie noch individuelle Unterstützung, um sich sicher zu fühlen. Und sie war nicht die Einzige. Anderen, die umgestiegen sind, erging es genauso, ob Landwirtinnen und Landwirten oder Büroangestellten.
Sowohl Sujal Dairy als auch Paicho Pasal haben mit Unterstützung des CASA-Programms eine eigene Software für das Lieferkettenmanagement eingeführt, die auf ihre spezifischen Herausforderungen zugeschnitten ist. Ihr Ziel ist, ein Datenerfassungssystem einzurichten, das die Effizienz und die Transparenz in der gesamten Lieferkette steigert und gleichzeitig eine digitale Datenbank für datengestützte Entscheidungen bereitstellt. Der Weg der Digitalisierung ist jedoch mit vielen weiteren Herausforderungen verbunden, die sie zu bewältigen haben.
«Trotz Gesprächen mit vier Unternehmen konnten wir kein System finden, das den komplexen Anforderungen unseres Sektors gerecht wurde. Aufgrund des Mangels an ortsansässigen Entwicklern mit fundierten Kenntnissen im Bereich der Agrartechnik mussten wir auf Lösungen von indischen Anbietern zurückgreifen», erklärt Dhurba Neupane, Geschäftsführer von Paicho Pasal.
Mithilfe von CASA konnten die Partner ihre digitalen Kompetenzen durch Mitarbeiterschulungen verbessern, und nun schulen sie selbst weitere Akteure innerhalb ihrer Lieferkette. Das IT-Team von Paicho schulte etwa 80 ortsansässige Mitarbeitende der Sammelstellen, die ihrerseits den Landwirten den Umgang mit dem System beibrachten. Inzwischen haben sie etwa 90 % der Landwirtinnen und Landwirte in ihrem Netzwerk ausgebildet.
Für Sujal Dairy und Paicho Pasal bedeutet die Digitalisierung trotz der damit verbundenen Herausforderungen einen echten Fortschritt. Beide Unternehmen konnten ihre Effizienz und ihre Produktivität steigern, indem sie Aufgaben automatisiert und eine höhere Transparenz in der Lieferkette erreicht haben. Dadurch hat sich auch die finanzielle Transparenz verbessert, was neue Investitionsmöglichkeiten eröffnet hat. Ein Beispiel dafür ist die Partnerschaft von Paicho Pasal mit True North Associates, einer Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaft, die Paicho beim Börsengang und bei der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten unterstützt.
Der Agrar-KMU-Sektor in Nepal beginnt zwar erst mit dem Einsatz digitaler Technologien, doch das Potenzial ist enorm. Kontinuierliche Investitionen in die digitale Infrastruktur und der Aufbau von Kapazitäten werden der Schlüssel zu ihrer vollständigen Nutzung sein. Die Erfolgsgeschichten von Sujal Dairy und Paicho Pasal zeigen, dass die Digitalisierung für die Agrarindustrie nicht nur von Vorteil ist, sondern auch eine fortwährende Aufgabe darstellt, die eine stetige Weiterentwicklung erfordert.