Das Projekt wird von der Schwedischen Agentur für Internationale Zusammenarbeit (SIDA) finanziert. Es richtet sich hauptsächlich an die indigene Bevölkerung und Frauen des Departements Alta Verapaz, das die höchste Armutsquote in Guatemala aufweist. Diese Bevölkerungsgruppen sind besonders gefährdet, da ihnen der Zugang zu Ausbildung und Information erschwert ist und ihre Möglichkeiten, ein Einkommen zu erzielen, deswegen eingeschränkt sind. Empodera bietet Berufsausbildungen, Coachings und Arbeitsvermittlungsdienste an, um den Zugang zum Arbeitsmarkt zu vereinfachen. Darüber hinaus schafft Empodera ein Bewusstsein für sexuelle und reproduktive Rechte sowie für Gleichberechtigung und Gleichstellung. Damit sollen verschiedene Arten von Gewalt verhindert werden, die insbesondere Frauen an ihrer vollen Entfaltung hindern.
Die Ermächtigung – insbesondere von Frauen – zu mehr wirtschaftlicher Unabhängigkeit trägt dazu bei, die Lücken im Bereich der Gleichberechtigung zu verringern. Alle getroffenen Massnahmen müssen kulturell relevant und in den indigenen Sprachen umgesetzt werden. Um die Reichweite zu erhöhen, begann Empodera im Jahr 2021, Frauen und Jugendliche zu unterstützen, über 20 000 Menschen in ihren Heimatgemeinden auszubilden. Diese sogenannten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geben ihr erworbenes Wissen über sexuelle und reproduktive Gesundheit, die Fürsorgewirtschaft und Gewaltprävention auf freiwilliger Basis an Gruppen aus jeweils 30 Jugendlichen und jungen Erwachsenen weiter. Auf diese Art konnten Menschen in den entlegensten Teilen des Departements Alta Verapaz erreicht werden. Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren fungieren im Prozess des Generationswechsels innerhalb ihrer Gemeinden als Führungspersonen und Agentinnen und Agenten des Wandels.
Dilia Margarita Có Coy, Verantwortliche für Gleichberechtigung und Frauenförderung von Swisscontact in Guatemala, erläutert im Gespräch, weshalb ihre Arbeit so bedeutend ist:
Das Wissen, dass die Stimmen der Frauen meist nicht gehört werden, und die Tatsache, dass ich dieselbe Realität lebte wie die meisten Frauen, insbesondere indigene Frauen und solche in ländlichen Gegenden, motivierten mich zu handeln. Ich stiess auf Ungleichheiten in grundlegenden Leistungen, zum Beispiel in der Ausbildung, der Gesundheit und der Ausübung von Rechten. So begann ich mich für Bewegungen von Frauen, Jugendlichen und indigenen Völkern zu engagieren, die forderten, dass unsere Rechte geachtet würden. Meine Ausbildung nahm ich auf, um Menschenrechte besser diskutieren und verteidigen zu können sowie um Entscheidungsträger mittels konkreter Verbesserungsvorschläge zu beeinflussen. Ich bin die älteste Tochter in einer Familie mit neun Kindern und in meinem Dorf eine der ersten Frauen mit Universitätsabschluss.
Meine Rolle im Projekt ist, Männer, Frauen und junge Menschen in zwölf Gemeinden von Alta Verapaz zu sensibilisieren und ihre Fähigkeiten zu entwickeln, mit dem Ziel, einen Wandel zu bewirken: ein verändertes Verhalten im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit, die Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie das Ansprechen der Fürsorgewirtschaft, zum Beispiel der Kinderbetreuung.
Gewalt gegenüber Frauen ist leider ein historisches und anhaltendes Problem in Guatemala, und geschlechtsspezifische Gewalt wird als Instrument der Unterdrückung von Frauen und der Kontrolle über ihr Leben und ihren Körper aufrechterhalten. Diese Gewalt wird von einer patriarchalischen und konservativen Kultur sowie einem fragilen Sicherheits- und Justizsystem getragen und bleibt oft straffrei. Zudem werden Frauen diskriminiert und von Entscheidungsfindungsprozessen ausgeschlossen, wobei die Forderungen und Bedürfnisse der Frauen verborgen gehalten und ignoriert werden. Geschlechterungleichheit besteht auch insofern, als Frauen stark mit Haus- und Betreuungsarbeit belastet sind, wodurch ihnen die Zeit fehlt, um eine berufliche Karriere zu verfolgen.
Zu den Hauptursachen zählen Armut, Arbeitslosigkeit und der fehlende Zugang zu Dienstleistungen. Dazu kommen häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt, und geschlechtsspezifische Diskriminierung. Es ist wichtig zu verstehen, dass Frauen durch eine Migration ihre Identität (Sprache, Wissen und Fähigkeiten) verlieren können, wodurch Familien noch mehr zerbrechen. Frauen sind sehr angreifbar, wenn sie migrieren, da sie vor Gewaltsituationen, Diskriminierung und sozioökonomischer Ausgrenzung fliehen. Als Migrantinnen besteht für sie ein grösseres Risiko, Opfer von Menschenhandel, Ausbeutung und sexueller Gewalt zu werden, und sie verlieren jegliche Arbeitsrechte.
Die wichtigsten Herausforderungen, die wir bewältigen mussten, betrafen das konservative Mindset vieler institutioneller Behörden und Führungskräfte. Die übermässige Kontrolle über die Entscheidungen und den Körper der Frauen führt dazu, dass diese die sexuelle und reproduktive Gesundheit als Tabu betrachten. Die in einigen Gemeinden vorherrschende Religion verhinderte unsere Bemühungen insofern, als Behörden nicht gewillt waren, jungen Personen diese Art Ausbildung zuzugestehen. Den lokalen und kommunalen Verwaltungen fehlt das Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, diese Themen anzusprechen. In einigen Fällen führte dies dazu, dass der Schulungsprozess nicht abgeschlossen werden konnte und an einen anderen Standort verlegt werden musste. Trotzdem haben wir wichtige Verbündete gefunden: junge Menschen und Frauen, die das Schweigen und die Geschlechterstereotypen brechen wollen.
Die Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten von Frauen ist notwendig, damit sie Zugang zu wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen erhalten. Kontrolle über diese Ressourcen ist entscheidend für das Erreichen von Geschlechtergleichheit und die Befähigung der Frauen, am wirtschaftlichen Fortschritt in gerechter Weise teilzuhaben. Am wichtigsten ist, dass Frauen mehr Unabhängigkeit erhalten, indem ihre Beiträge zur Wirtschaft anerkannt und hervorgehoben werden. Das bedeutet, dass sie in vollem Umfang und mit Gewährleistung all ihrer Rechte in allen Sektoren und auf allen Stufen am wirtschaftlichen Leben teilnehmen.
Mit der Kommunikationskampagne «Lasst uns in Harmonie leben» – geleitet vom Gesundheitsministerium von Alta Verapaz – setzen wir einen Schulungsprozess um, mit dem das umfassende Verständnis der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren bezüglich Sexualerziehung, Gewaltprävention und Fürsorgewirtschaft gestärkt wird.
Diese Agentinnen und Agenten werden entweder von den Projektpartnern ausgewählt, oder es sind junge Menschen, die sich für die Themen interessieren und die Ursachen der Ungleichheiten bekämpfen wollen. Sie erhalten eine intensive Ausbildung, einschliesslich didaktischer und thematischer Leitfäden, die es ihnen ermöglicht, ihr Wissen mit 30 Jugendlichen und Frauen zu teilen.
Und auch sie selbst profitieren vom Prozess: Sie erwerben neues Wissen, das ihnen im eigenen Leben dient. Sie empfinden persönliche Zufriedenheit, da sie den Lernprozess gemeinsam mit anderen Frauen durchlaufen haben, die ähnliche Lebenserfahrungen gemacht haben.
Frauen sehen sich selbst als Führungspersonen und Gemeindemitglieder, die fähig sind, Wissen als Multiplikatorinnen weiterzugeben. Dadurch können sie an Entscheidungsfindungsprozessen teilnehmen und ihre Bedürfnisse präsentieren und einfordern. Zudem wurden sowohl Frauen als auch Jugendliche in Bezug auf ihre Rechte ermächtigt und sind nun Ansprechpersonen für die Prävention von und die Reaktion auf Gewalt. Sie wurden zu Multiplikatoren ausgebildet, die ihr umfassendes Wissen zu Sexualität, Gewaltprävention und Care-Arbeit vielfach weitergeben. Geschlechtsspezifische Stereotypen und Schemata wurden gebrochen, sowohl in der Berufsbildung als auch in der selbständigen Erwerbstätigkeit, wo Frauen nun nicht-traditionelle Tätigkeiten ausüben, zum Beispiel die Arbeit in Werkstätten für Zwei- und Vierräder.