In Kolumbien prägen die Recicladores das Stadtbild. Landesweit gibt es etwa 100'000 Abfallsammler, doch nicht alle sind offiziell registriert. Ein Grossteil arbeitet unter prekären Bedingungen.
In Südamerika sind Recicladores nicht sehr angesehen, obwohl sie einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten: Ohne sie gäbe es kein Recycling, weil die regionalen Behörden mit der schieren Menge an Abfall überfordert wären. Dabei ist dies eine wichtige Aufgabe: Rohstoffverschmutzung bedroht die Biodiversität und die Gesundheit der Menschen, was wiederum hohe volkswirtschaftliche Kosten verursacht.
Eine Kreislaufwirtschaft könnte die Antwort auf dieses Problem sein. Dabei wird ein System eingeführt, bei dem Materialien nie zu Abfall werden und die Natur sich stets regeneriert. Ziel ist es, den Abfallsektor von einer Entsorgungsdienstleistung in eine nachhaltige Ressourcenwirtschaft umzuwandeln, gleichzeitig die Umwelt zu schützen und neue Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen.
So sind die Recicladores entscheidend für den grundlegenden Aufbau der Kreislaufwirtschaft.
Die kolumbianische Stadt Cali ist ein gutes Beispiel für die Möglichkeiten, die sich für Entsorgungsunternehmen ergeben. In der Stadt fallen täglich rund 1922 Tonnen Abfall an. Nur ein Bruchteil davon wird wiederverwertet, obwohl viel mehr möglich wäre.
Nicolás Sarriá arbeitet mit seinem Familienunternehmen Circular Economy in Carvajal Industries daran, dies zu ändern. Mit seiner Firma beschäftigt er mehr als 17 000 Mitarbeitende. Besonders wichtig ist ihm dabei, die gesamte Wertschöpfungskette zu verstehen: "Es ist entscheidend, dass die Müllsammler und ihre Verbände verstehen, dass sie ein integraler Bestandteil eines grösseren Ökosystems sind und nicht nur ein isolierter Prozess", sagt er. "Es geht nicht nur um unsere Wirtschaft, sondern auch um den Aufbau einer Gemeinschaft."
Irene Ramirez versucht, mit ihrem Geschäft eine solche Gemeinschaft aufzubauen. Sie hat lange als Müllsammlerin gearbeitet und leitet heute das Recyclingunternehmen REMA, das mit privaten Unternehmen und lokalen Behörden zusammenarbeitet. Das Unternehmen wurde 2009 gegründet und beschäftigt derzeit 400 Mitarbeitende. Ihre Angestellten werden geschult und sie erhalten ihren Lohn monatlich: je nachdem wie viel Abfall sie sammeln. Das Gehalt der Recicladores hat sich in den letzten Jahren jedoch drastisch verändert.
"Früher konnte ein Müllsammler etwa 15 US-Dollar verdienen, jetzt sind es nur noch 3,5 US-Dollar pro Tag. Das liegt vor allem daran, dass der Wert des Plastiks stark gesunken ist, es hat die Hälfte seines Marktwertes verloren."
Dieser drastische Preisverfall belastet die Arbeitenden, insbesondere Frauen und alleinerziehende Mütter – sie machen eine Mehrheit der Recicladores aus. Da es sich um eine flexible und unabhängige Arbeit handelt, mit der man dennoch etwas Geld verdienen kann, entscheiden sich viele Frauen mit kleinen Kindern für diesen Beruf.
Obwohl es mehr weibliche Recicladores gibt, sind die Männer immer noch die Entscheidungsträger in der Branche. So war es für Ramirez nicht einfach, in einem Beruf zu arbeiten, in dem die Männer das Sagen haben. Oft musste sie sich mit einflussreichen Geschäftsleuten auseinandersetzen, um die Rechte ihrer Kolleginnen zu verteidigen.
Durch das Projekt Zirkuläre Städte in Kolumbien und Bolivien verbessert Swisscontact die Lebensbedingungen der Abfallsammler und Abfallsammlerinnen durch Einführung formaler Strukturen.
Für Ramirez war die Formalisierung ihrer Organisation der Schlüssel, um das Leben vieler Recicladores zu verändern. "Organisiert zu sein bedeutet für uns wirtschaftliche Sicherheit und soziale Anerkennung", sagt sie. "Dadurch anerkennt die Stadtverwaltung uns als Arbeiterinnen."
Und während sich die Bedingungen für viele derjenigen, die sich dem Recycling verschrieben haben, verbessert haben, bleibt die Herausforderung für viele andere dieselbe: das Überleben inmitten des grossen Dilemmas des städtischen Abfalls.
Das Circular Cities Projekt wird finanziert durch die Stadt Zürich und von Swisscontact in Kolumbien und Bolivien umgesetzt.