Gemäss dem Women’s Entrepreneurship Report 2020/21 von GEM (Global Entrepreneurship Monitor) sind Frauen weltweit für die Hälfte der unternehmerischen Aktivitäten verantwortlich. Diese beschränken sich jedoch meist auf einen sehr kleinen Rahmen, das heisst die Unternehmerinnen selbst und vielleicht noch ihre direkten Familienangehörigen können davon leben. Fehlende Unterstützung und Finanzierung verhindern, dass daraus wachsende Unternehmen werden, die Jobs und Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen.
Auch bei näherer Betrachtung des Umfelds technologiebasierter, skalierbarer Unternehmen – dem Bereich auf dem der Fokus des Swiss Entrepreneurship Program (Swiss EP) liegt, das vom SECO seit 2015 finanziert wird – zeigt sich kein besseres Bild. Aus einer Studie von Startup Genome geht hervor, dass in Europa etwa 10,8 % der Tech-Start-ups von Frauen gegründet werden und dass weltweit nur etwa 3 % der von Frauen geführten Start-ups eine Risikokapitalfinanzierung erhalten, die für das weitere Wachstum des Unternehmens entscheidend ist.1
Die programminternen Daten, die während sieben Jahren alle sechs Monate erhoben wurden, zeigen, dass 40 % der Arbeitskräfte in den unterstützen Start-ups Frauen sind (Daten von 2022); jedoch gehen nur 7 % des Kapitals an Unternehmen mit einer Frau im Gründerteam – auch das ist ein Wachstumshindernis.
Woran liegt das? Ist es darin begründet, dass Frauen im Allgemeinen viele kulturelle und gesellschaftliche Einschränkungen erfahren, die es ihnen erschweren, die Erwartungen bezüglich Familienleben mit den beruflichen Ambitionen zu vereinbaren?
Das Swiss EP unterstützt seit 2015 lokale Programme und Unterstützungsorganisationen («startup support organizations»), damit diese bessere Dienstleistungen für Gründerinnen und Gründer anbieten können. Die Ziele des Swiss EP umfassen die Schaffung von zukunftsorientierten Arbeitsplätzen, den erleichterten Zugang zu Investitionen für Unternehmen und die Verbesserung von Unterstützungsmechanismen während des gesamten Wachstumszyklus. Dies erfolgt mittels Stärkung lokaler unternehmerischer Ökosysteme in Peru, Vietnam, Serbien, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien und Kosovo.
Das Swiss EP wird vom SECO finanziert und von Swisscontact umgesetzt.
Neben der Tatsache, dass geschlechtsspezifische Vorurteile durch unterschiedliche Erwartungen an das Verhalten von Mädchen und Jungen bereits in der Kindheit manifestiert und sowohl in der Schule als auch an der Universität aufrechterhalten werden, wurde in mehreren Studien auch nachgewiesen, dass es Männern – bewusst oder unbewusst – leichter fällt, sich in andere Männer hineinzuversetzen, und dass sie die Inputs von Männern mehr schätzen als diejenigen von Frauen.2 Da die Geschäftswelt immer noch von Männern dominiert wird, gibt es auch viel mehr männliche als weibliche Investoren, was dazu führt, dass mehr Risikokapital in männergeführte Unternehmen fliesst.
Ein spannendes Forschungsprojekt von Dana Kanze kam zum Schluss, dass bei Investoren-Pitches für Start-ups Gründerinnen eher defensive Fragen gestellt werden, die auf Risiken und Probleme ihrer Geschäftsmodelle abzielen, während männliche Gründer häufiger gefragt werden, welche Chancen sie für ihr Produkt und ihr Geschäftsmodell sehen.
Im letzten Swiss Startup Radar wurde eine interessante Statistik veröffentlicht. Weibliche CEOs stellen deutlich mehr Frauen ein als ihre männlichen Kollegen (44 % gegenüber nur 9 %). Dies wirft die Frage auf, weshalb Frauen in der Lage zu sein scheinen, Arbeitskräfte aufgrund ihrer Fähigkeiten einzustellen und nicht, weil sie sich besser mit ihnen identifizieren können.
Wie kann dies also angegangen und geändert werden? Start-up-Ökosysteme und die Volkswirtschaften im Allgemeinen benötigen mehr weibliche Vorbilder – als Gründerinnen, CEOs, Investorinnen oder in anderen Entscheidungsfunktionen –, damit eine kritische Grösse erreicht wird, wodurch Vorurteile abgebaut und Chancengleichheit gewährleistet werden können.
Seit seiner Lancierung 2015 legt das Swiss EP den Fokus darauf, mehr Gründerinnen zu ermöglichen, an unternehmerischen Ökosystemen teilzunehmen und erfolgreiche Unternehmen aufzubauen. Der erste Schritt war so einfach wie effektiv: Sie zusammenbringen. Den Gründerinnen zeigen, dass sie nicht allein sind, dass sie ähnliche Herausforderungen haben und dass sie als Unternehmerinnen in der besten Position sind, anderen Unternehmerinnen zu helfen. Ein Beispiel dafür ist die Women Entrepreneurs Week (WEW): Gründerinnen, Mentorinnen und Investorinnen aller sieben Länder, in denen das Programm im Einsatz ist, werden eingeladen, eine Woche lang gemeinsam zu lernen und sich auszutauschen. Die erste WEW fand 2017 statt, als es noch fast keine organisierten Netzwerke in den Zielländern gab. Seither wurden verschiedene Programme mit Fokus auf Frauen aufgebaut, zum Beispiel WISE in Vietnam und Women STEM in Peru, sowie mehrere Gründerinnennetzwerke, die aus Initiative von Swiss EP Mitarbeiterinnen entstanden sind, darunter Preduzimanje mit Fokus auf Serbien und Bosnien-Herzegowina, Womenpreneurs in Nordmazedonien und Women Founders in Albanien oder Kosovo. Sie alle verfolgen dasselbe Ziel: Das Vermitteln von Bildung und das Anbieten einer Plattform, auf der sich Gründerinnen treffen, sich über ihre Erfahrungen austauschen können und im besten Fall gemeinsam Geschäfte machen oder in andere (frauengeführte) Unternehmen investieren können. Dies stärkt die Bindung untereinander, erhöht die Zuversicht und macht sie zu erfolgreichen Geschäftsführerinnen, die bereit sind, der nächsten Generation den Weg zu weisen.
Kurz gesagt: Die Lücke ist zurzeit zwar noch gross, jedoch sieht man, dass die Unterstützung von Gründerinnen und somit auch ihre Erfolgsgeschichten langsam zunehmen. Dies weist auch auf den langen Weg hin, der noch vor uns liegt, wobei alle am selben Strick ziehen müssen, um die Lücke weiter zu schliessen, insbesondere im Bereich der Finanzierung, damit wir weltweit den Unternehmensgeist der Frauen nutzbar machen können, um bessere Lösungen, mehr Arbeitsplätze und inklusives Wachstum zu generieren.
Mitwirkende:
Camila Cordero, Arta Istrefi-Jahja, Ivana Sabo, Jakob Modéer, Hub Langstaff