Interview mit Lhoucine Boufassi, Leiter Marktzugang und Wettbewerbsfähigkeit des Programms Nachhaltiger Tourismus Schweiz-Marokko
Die Eigentümer: innen der Unterkünfte sind sich einig, dass die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten aussergewöhnlich gut war. Vor allem der partizipative Ansatz wurde sehr geschätzt. Was hat besonders gut funktioniert und worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Tatsächlich hat uns der partizipative Ansatz bereits in der Diagnosephase ermöglicht, die Erwartungen der Eigentümer zu berücksichtigen, aber auch, diese Erwartungen gesamtheitlich zu erfassen und Prioritäten zu setzen, die sich positiv auf die Kunden auswirken und mit den verfügbaren Ressourcen realisierbar sind.
Rückblickend lässt sich feststellen, dass der gewählte Ansatz der "lokalen Entwicklung" für den Erfolg des Pilotprojekts ausschlaggebend war. Die Wahl fiel auf kleine lokale Anbieter (Unternehmen), die mit den Besonderheiten des Geländes vertraut sind und sich besser mit den lokalen kulturellen Gegebenheiten (Bräuche, Traditionen, Gewohnheiten usw.) auskennen. Das hat die Kommunikation und damit die Zusammenarbeit erleichtert.
Die gute Abstimmung mit allen Beteiligten, die Verfügbarkeit der Architekturexperten und ihre Reaktionsfähigkeit ermöglichten es, bestimmten Schwierigkeiten vorzugreifen. Darüber hinaus haben die unterzeichneten Vereinbarungen mit den Eigentümern und Unternehmen die Beziehungen gut geregelt. Swisscontact hat mit der Unterstützung von DAMA, den beiden Tourismusbeauftragten und der SMIT die Rolle des Vermittlers zwischen Eigentümern und Unternehmen gut wahrgenommen, um einzelne Situationen, die durch unterschiedliche Auffassungen zu bestimmten Aspekten entstanden waren, rasch zu lösen.
(auf Französisch)
Auf welche Hausteile wurde bei den Renovierungsarbeiten der Schwerpunkt gelegt? Welche Kriterien waren ausschlaggebend?
Jeder Hausteil wie Wohn-/Schlafbereiche, Sanitäranlagen, Gemeinschaftsräume ist ein Einzelfall mit spezifischen Bedürfnissen. Die Anforderungen waren im Verhältnis zu den zugewiesenen Budgets sehr gross und es mussten oft schwierige Abwägungen getroffen werden. Das wichtigste Kriterium für die Priorisierung ist die Schaffung eines positiven Einflusses auf das Kundenerlebnis unter Berücksichtigung der Aspekte Sicherheit, Hygiene und Nachhaltigkeit. Es geht also darum, die verfügbaren Budgets intelligent einzusetzen, um eine maximale positive Auswirkung auf den Kunden und in der Folge auch auf den Anbieter der Unterkunft zu erzielen.
Gab es auch unrealistische Vorstellungen seitens der Hauseigentümer?
Wie erwähnt, konnte durch den partizipativen Ansatz und die engen Projektbegleitung bei der Eruierung der Bedürfnisse und Priorisierung der umzusetzenden Massnahmen "übertriebene" und unrealistische Forderungen vermieden werden. Es muss jedoch betont werden, dass es aufgrund der begrenzten Budgets noch viele unerfüllte Bedürfnisse gibt.
(auf Französisch)
Bei Bauarbeiten wird oft mit Verzögerungen und Budgetüberschreitungen gerechnet. Konnten Sie den Zeitplan und Budgets einhalten?
In dieser, ursprünglich nicht geplanten Pilotphase kam es aus verschiedenen Gründen zu einigen Verzögerungen, darunter:
Die Hauseigentümer: innen selbst mussten einen Beitrag zur Renovierung leisten. Waren die Eigentümer in der Lage, diesen Beitrag zu leisten?
Der Anteil der Eigentümer wurde bei der Einführung des Mechanismus zur technischen und finanziellen Unterstützung vertraglich festgelegt. Dieser betrug jeweils 1/3 des Budgets, von dem mindestens 50% in bar auf ein spezielles, von Swisscontact eingerichtetes Konto für die Rehabilitationsmassnahmen der Unterkünfte eingezahlt werden musste. Die Eigentümer kannten die Teilnahmebedingungen und unterzeichneten eine Vereinbarung. Diese Vereinbarungen wurden vollumfänglich erfüllt, allerdings in einigen Fällen mit Verzögerung. Der Anteil an Sach- und Arbeitsleistungen wurde oftmals von den Eigentümern übertroffen.
(auf Französisch)
Für die örtlichen Bauleiter war dies eine eher ungewöhnliche Aufgabe, da sonst eher neue Häuser und Infrastrukturen gebaut werden. Was war die grösste Herausforderung?
Teilweise war es eine ungewöhnliche Aufgabe, allerdings sind sie mit einigen Aspekten vertraut (z. B. Sanitär- und Elektroarbeiten). In anderen Bereichen mussten sie jedoch intensiv von den Architekten betreut werden, da es sich um die Renovierung von Gebäuden unterschiedlicher Art (Lehmbau (Pisé), lokaler Stein, etc.) mit unterschiedlichen Installationen (traditionelle Bauweise der Dächer, Holzkonstruktionen etc.) handelte. Die enge Betreuung der Bauverantwortlichen durch die Architekten garantierte eine hohe Ausführungsqualität. Die Bauleiter haben diese Arbeiten mit grosser Freude ausgeführt, es erlaubte ihnen, neue Bauweisen mit lokalen Materialien zu erlernen und anzuwenden.
Wie gestalteten sich die Renovierungsarbeiten mit lokalen Materialien?
Bei diesem Pilotprojekt wurden Zementfliesen (carreaux de ciment) für die Gestaltung bestimmter Räume (Badezimmer, Terrassen) verwendet, um den ländlichen Charakter des Hauses zu erhalten. Es wurde auch lokaler Stein für Boden- und Wandbeläge innerhalb der Häuser verwendet. Mit Stampflehm (Pisé) wurden die Mauern hochgezogen, dieses Material begünstigt ein angenehmes Raumklima und eine gute Energieeffizienz. Die Nichtverfügbarkeit gewisser Materialien vor Ort führte zu Schwierigkeiten und zusätzlichen Belastungen, insbesondere in Bezug auf Kosten und Fristen.
(auf Französisch)
Was hat Sie bei den Renovierungsarbeiten am meisten überrascht? Womit sind Sie sehr zufrieden?
Jede Einrichtung ist ein Einzelfall. Daher ist es schwierig, Vergleiche anzustellen. Dennoch waren wir überrascht, wie Räume von uninteressanten zu echten Pluspunkten für Herberge umgestaltet wurden. Beispiele hierfür sind die Terrasse der Unterkunft "Chez Saadia et Mustapha", die Terrasse der Unterkunft "Tissente" und die Küche der Unterkunft "Aoujdade".
Man ist als Team sehr zufrieden, dass man mit den verfügbaren Budgets die Infrastruktur verbessern und gleichzeitig den Charakter der betreffenden Unterkünfte bewahren konnte. Bei unserer letzten Reise in die Gegend hatten wir die Gelegenheit, Aussagen von treuen Gästen der Unterkunft "Chez Saadia e Mustapha" zu erhalten, die uns bestätigten, dass die Umgestaltungen sehr deutlich sind, die ‘Seele’ aber nicht verloren ging. Dieselbe Feststellung hat auch ein englischer Gast (Kletterführer) der Unterkunft Aoujdade aufgeführt.
Das Pilotprojekt mit 6 Herbergen ist abgeschlossen und die Planungsphase für die Renovierung weiterer Herbergen hat begonnen. Was haben Sie aus diesem Prozess gelernt?
Das Ziel des Pilotbetriebs war es, die Instrumente und Prozesse für die Renovationsarbeiten zu testen. Unsere Schlussfolgerungen:
Die Diagnoseinstrumente (darunter auch Benchmarks) ermöglichten die Festlegung von Massnahmen mit positiven Auswirkungen. Der Umsetzungsprozess hat sich bestätigt, durch die Evaluierung können wir die Effizienz noch verbessern.
Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren zählen die Einbeziehung der Partner, der partizipative Ansatz, eine hohe Kommunikationsfrequenz und die Flexibilität. Allerdings werden die Anpassungsmöglichkeiten bei den Umbauarbeiten der weiter geplanten 34 Herbergen begrenzt sein.
Wichtig ist auch der lokale Ansatz mit dem Zugriff auf die lokalen Dienstleister. Die Auftragnehmer wurden engmaschig begleitet und profitierten vom Wissenstransfer im Bereich der Sanierungsarbeiten.
Demgegenüber stehen auch Herausforderungen wie die langen Entfernungen und die abgelegenen, und somit schwer zugänglichen Unterkünfte. Dies hat uns bei der Zeitplanung unter Druck gesetzt. Gerade während der COVID-Zeit sind sehr hohe Kosten für den Transport der Materialien angefallen und qualifizierte Arbeitskräfte waren nicht immer verfügbar.
Die verfügbaren Mittel waren limitiert, demzufolge sind infolge der Priorisierung wichtige Umsetzungsmassnahmen zum Opfer gefallen.
(in Französisch)
Welche Erwartungen haben die Eigentümer: innen an die touristische Zukunft ihrer Ferienhäuser?
Grundsätzlich sind die Bedürfnisse sehr hoch. Die begleiteten Eigentümer sind sich der Notwendigkeit von Investitionen bewusst und wollen ihre Unterkünfte weiter ausbauen. Die Erwartungen sind eher realistisch. Sie konzentrieren sich auf Aspekte, die in Bezug auf die Nachhaltigkeit sehr wichtig sind (umweltfreundliche Heizungslösungen, Solarenergie, Wasserersparnis, eigene Gemüsegärten usw.).
Werden die Unterkünfte in der Lage sein, Arbeitsplätze zu schaffen?
Es wird sich in der Regel um familieninterne Arbeitsplätze und Saisonarbeitsplätze handeln. Die Familienmitglieder der Unterkünfte und die umliegende Gastronomie werden davon profitieren, insbesondere Frauen.
Wie erfolgt die touristische Vermarktung der renovierten Ferienhäuser? Werden die Eigentümer dabei unterstützt?
Es ist geplant, sie im Rahmen eines Coaching-Programms zu verschiedenen Aspekten, insbesondere im Bereich von Managementaufgaben inklusive Buchführung und der Vermarktung zu begleiten. Zusätzlich werden sie in die regionale Marketing- und Werbeplattform integriert (www.visitbenimellal.ma)