Es war ein Gänsehautmoment im Juni 2023, als an einer internationalen wissenschaftlichen Konferenz in Nairobi ein Teilnehmer die Geschichte seiner Mutter erzählte: Als Mitglied der Massai-Gemeinschaft war sie bis November letzten Jahres Besitzerin von 115 Rindern – 103 der Tiere sind seither verendet. Das Fundament des Familieneinkommens ist weg, die Trauer über den Verlust überwältigend, der Stolz der ehemaligen Herdenbesitzerin verletzt.
Die Fakten sind glasklar: Die Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten zur globalen Erwärmung beitragen, sind am stärksten davon betroffen. Für dieses Missverhältnis gibt es drei Gründe:
Erstens sind gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Viehzüchter und Kleinbauernfamilien für ihren Lebensunterhalt am stärksten auf natürliche Ressourcen angewiesen. Die globale Erwärmung führt tendenziell zu mehr extremen Wetterphänomenen, wie der oben erwähnte Fall der Massai-Frau in Tansania zeigt. Der Regen liess wochenlang auf sich warten – oder kam überhaupt nicht. Im vierten Jahr in Folge lagen die Niederschläge weit unter dem Durchschnitt. Lokales Wissen, das über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben wurde, um auf Wetterextreme reagieren zu können, verliert an Wert. Tiere verenden, Ernten fallen aus, Einkommen sinken, Nahrungsmittel werden knapp. Mit der Verknappung der Ressourcen steigen deren Beanspruchung sowie der Nutzungsdruck; Konflikte nehmen zu.
Zweitens sind die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen der Welt am stärksten von der Klimakrise betroffen. Viele Länder, in denen Swisscontact tätig ist, zum Beispiel in der Sahelzone oder in Zentralamerika, sind durch die kombinierten Auswirkungen von geringer Vorbereitung auf Klimaextreme und hoher Fragilität besonders gefährdet. Diese Länder verfügen nur über sehr begrenzte Mittel, um mit den Folgen der Klimaerwärmung umzugehen. Schwache Institutionen und fehlende Ressourcen selbst für die Grundversorgung machen die Menschen vor Ort besonders anfällig für Krisen.
Drittens sind die meisten Entwicklungsländer geografisch exponiert. Klimaszenarien haben die verheerenden Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Ernährungs-, die Energie- und die Wassersicherheit aufgezeigt. Wenn es der Weltgemeinschaft nicht gelingt, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, wird die Temperatur der Atmosphäre bis zu dem Zeitpunkt, an dem unsere Enkelkinder erwachsen sind, um bis zu 4 Grad Celsius angestiegen sein. Sie werden mit der sogenannten Dampfbad-Erde zu kämpfen haben, in der in weiten Teilen der Welt die Grenzen menschlicher Überlebensfähigkeit durch ungerechtfertigten Hitzestress überschritten werden.
Vor dem Hintergrund dieser Schreckensszenarien passt die Entwicklungszusammenarbeit ihre Instrumente und Ansätze laufend an. Die Stärkung der Resilienz benachteiligter Menschen steht im Zentrum der Arbeit von Swisscontact – denn ohne Widerstandsfähigkeit können sich Kompetenzen ebenso wenig entfalten wie Initiativen privater Unternehmen. Andererseits bieten die globalen Bemühungen um einen ökologischen Wandel («Green Transition») auch Chancen für benachteiligte Bevölkerungsgruppen, wenn es gelingt, die Wirtschaft gerecht und inklusiv zu gestalten sowie Einkommen und grüne Arbeitsplätze zu schaffen, die für diese Menschen zugänglich sind. Der Klimawandel muss bei allen Massnahmen zur Verbesserung des Lebensstandards der am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden.
Die aktuelle Ausgabe des Newsletters beleuchtet die Arbeit von Swisscontact in verschiedenen Kontexten, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, unter den Bedingungen der globalen Erwärmung.
Die Umstellung auf nachhaltige Baupraktiken und -technologien macht einen Unterschied – dies ist die Geschichte des Projekts Colombia + Competitiva, mit dem Swisscontact die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch ein verbessertes, produktives Umfeld und eine wirksame Politik des öffentlichen Sektors fördert. Erfahren Sie hier, wie ein Praxislabor aus der Schweiz in Kolumbien repliziert wurde, um innovative Praktiken für energieeffizienteres und somit klimafreundlicheres Bauen zu testen.
Luftverschmutzung und Kohlenstoffemissionen verschärfen die bestehenden Bedrohungen für die Gesundheit und das menschliche Wohlbefinden und führen zu Tausenden von vorzeitigen Todesfällen, insbesondere in städtischen Gebieten. Das Projekt Saubere Luft und sauberes Klima in lateinamerikanischen Städten (CALAC+) fördert den Umstieg auf nachhaltigere öffentliche Verkehrsmittel und arbeitet mit Stadtverwaltungen zusammen, um ultrafeine Partikel zu reduzieren, die hauptsächlich aus dem Bausektor und der Industrie stammen.
Das M4C-Projekt in Bangladesch veranschaulicht den Mehrwert eines systemischen und gendersensiblen Ansatzes bei der Einführung klimafreundlicher landwirtschaftlicher Praktiken in einem äusserst fragilen Ökosystem. Auf den durch Bodenerosion entstandenen Char-Inseln in den Flussgebieten zielt das Projekt darauf ab, die Lebensgrundlage einer marginalisierten Bevölkerungsgruppe zu verbessern – mit besonderem Augenmerk auf Produzentinnen, die von technischen Ansätzen allzu oft vernachlässigt werden.
Das Projekt unterstützt mittels gezielter Information den Kampf gegen Erosion, verringert das Katastrophenrisiko, verbessert den Marktzugang und bietet Finanzdienstleistungen – all dies trägt dazu bei, die Verwundbarkeit der lokalen Gemeinschaften zu verringern. Der Gender-Fokus ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung, da er auf die spezifischen Kompetenzen und Bedürfnisse von Frauen eingeht und eine effiziente und zugleich gerechte Zeiteinteilung innerhalb der Familien unterstützt.
Die Klimaerwärmung verschärft die bereits seit Jahrzehnten ungünstigen Bedingungen, von denen die Ärmsten am stärksten betroffen sind. Die Landbevölkerung im globalen Süden hat nicht nur mit klimabedingten Wetterveränderungen zu kämpfen, sondern oft auch mit politisch gesteuerten Landnutzungsänderungen, die darauf abzielen, sie und ihre Lebensgrundlagen zu verdrängen.
Durch die kontinuierliche und langfristige Zusammenarbeit mit lokalen Partnern ist Swisscontact gut gerüstet, um die zusätzlichen Herausforderungen aufgrund des Klimawandels zu meistern. Unser Grundprinzip ist, die lokalen sozioökonomischen Rahmenbedingungen zu verstehen und Lösungen nachhaltig in den Systemen vor Ort zu verankern.
Der Klimawandel erhöht zwar die Komplexität im ohnehin anspruchsvollen Feld der Entwicklungszusammenarbeit, stellt aber den Ansatz von Swisscontact für eine nachhaltige Entwicklung nicht grundsätzlich infrage. Vielmehr zwingt er uns, kritisch und mit Blick auf die klimabedingten Veränderungen zu hinterfragen, wie wir mit unseren Prinzipien und Ansätzen auf die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Partner vor Ort noch besser eingehen können, um ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber verschiedenen Krisen zu verbessern.